Betreff: queerjugendpolitische Reaktion auf die November-Landtagssitzung 2022
Sehr geehrte Abgeordnete und demokratischen Parteien des Landtages,
das Jugendnetzwerk Lambda Mitteldeutschland e.V. verfolgte die vergangene Sitzungsperiode des Landestages Sachsen-Anhalt mit Hinblick auf zwei wichtige Punkte der Tagesordnung.
Zum einen aus dem Blickwinkel als landesweitere Träger der Jugendhilfe und die damit verbundene Projektförderungen gemäß der Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Jugendarbeit, der Jugendverbände, der Jugendsozialarbeit sowie des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes und dem damit gemeldeten personellen Mehrbedarf ab 2023 sowie einer geplanten Richtlinienänderung der besagten Förderrichtlinie und das im März 2021 eingebrachte Leuchtturmprojekt, welches im Einzelplan 0504 des Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in die Haushaltsplanung eingestellt wurde. Dies alles zusammenhängend mit dem TOP 13 (Haushaltsplan 2023) der vergangen Landtagssitzung.
Auch der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter TOP 28 mit dem Titel “Bildung in Sachsen-Anhalt: Queer und bunt! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt an unseren Schulen stärken.” ist aus dem Blick eines queeren Jugendverbandes von enormer Bedeutung und bedarf einer Reaktion auf Grundlage der gefallenen unsachlichen Äußerungen im Plenum.
Ausführungen zu TOP 13 der Landtagssitzung:
Mit der Novembersitzung des Landtages Sachsen-Anhalt brachte die Landesregierung den Haushaltsplanentwurf ein. Das ursprüngliche Ziel, den Haushalt für 2023 bis zum Jahresende beschließen zu wollen, kann nun leider nicht mehr eingehalten werden, was auch wieder extrem viele Unsicherheit für projektgeförderte Träger in Sachsen-Anhalt mit sich bringt, also auch für uns als queeren Jugendverband. Denn klar ist, dass der weitere Ablauf mit Haushaltsberatungen in den Ausschüssen, Teilbeschlüssen der einzelnen Ressorthaushalte, Bereinigungssitzungen, die zweite Lesung und Beschlussfassung des Gesamthaushaltes, nach aktuellem Plan bis Ende März 2023 in Anspruch nimmt und mit einem möglichen Haushaltsgesetz frühestens Ende April gerechnet werden kann.
Was bedeutet dies für Träger der Jugendhilfe mit landesweiter Ausrichtung? Es bedeutet Unsicherheiten für Träger und Angestellte, es bedeutet unklare Rahmenbedingungen für Veranstaltungen und für die Arbeit als Jugendverband. Denn spät ausgestellte Förderbescheide, bringen ganz grundsätzlich mit, dass viele geplante Veranstaltungen unklar in der Finanzierung sind und mit einem enormen bürokratischen Mehraufwand und finanziellem Risiko behaftet. Klar könnte mit dem Erhalt eines vorzeitigen Maßnahmebeginnns schon direkt gestartet werden, aber Jugendverbände haben keine großen Rücklagen und können auch nicht das Risiko eingehen, in Vorleistung zu gehen. Was auch damit verbunden ist, ist der Fakt, dass personelle Mehrbedarfe also zusätzliche Stellenerhöhung und eine neue Stelle erst mit dem zweiten Halbjahr umgesetzt werden können und somit nicht zielgerichtet auf die Bedarfslage reagiert werden kann. Bestehende Mitarbeiter*innen, für die einen Stellenaufwuchs zum 01.01.2023 geplant sind, sind weiterhin einer enormen Unklarheit der eigenen beruflichen Perspektive ausgesetzt, was im Rahmen des Fachkräftemangels kein gutes Signal an Fachkräfte darstellt. Was vielleicht unklar ist, ist das mit dem Förderjahr 2023 ein große Richtlinienänderung der Förderrichtlinie geplant ist, die natürlich auch erst frühestens mit dem Landeshaushalt von den zuständigen Ministerien freigegeben wird. Die Richtlinienänderungen, in der konkrete Verbesserungen für Mitarbeiter*innen, für Maßnahmen der außerschulischen Jugendbildung und Verwaltungsausgaben geplant sind, sind vor allem in Krisenzeiten ein wichtiges Signal, um auf Inflation, Fachkräftemangel und bessere Bezahlung von Angestellten sowie einer qualitativen außerschulischen Jugendbildung positiv einzuwirken. Hier brauch es ein schnelleres Agieren der Landesregierung und des Landtages.
Es gibt aber auch gute Nachrichten im Rahmen des Landeshaushaltsentwurfes. Denn ein im März letzten Jahres von uns eingebrachtes Leuchtturmprojekt (mit Projektlaufzeit von 3 Jahren) zur Stärkung von jungen Queers und der Schaffung von Safer Spaces im ländlichen Raum, wurden erstmalig mit aufgenommen und dies freu uns natürlich sehr und gibt das Signal, was junge Queers in unserem Bundesland verdient haben. Der Start für das Leuchtturmprojekt wurde von uns eigentlichen schon für dieses Jahr geplant, war aber leider ohne entsprechende Haushaltsanmeldung des zuständigen Ministeriums nicht möglich. Jetzt hoffen wir, dass mit dem Jahresbeginn 2023 auch das wichtige Projekt in Sachsen-Anhalt an den Start gehen kann. Hier braucht es aber Lösungen, damit nicht ein
halbes Jahr ins Land geht, bevor überhaupt gestartet werden darf. Denn üblich ist, dass Neuprojekte frühstens mit Haushalsbeschluss starten können. So lange dürfen wir nicht warten! Wir müssen gemeinschaftliche Lösungen finden, dass der Projektzeitraum nicht um ein halbes verkürzt wird, da dies enorme Auswirkungen auf das geplante Projekt haben kann. Klar ist, dass mit einem Förderbescheid auch erst Ausschreibungen und Stellebesetzungen umgesetzt werden können. Also bitten wir hier um einen entsprechenden politischen und verwalterischen Willen, ein so wichtiges Projekt auch mit Jahresstart beginnen lassen zu können, um jungen Queers die sicheren Räume geben zu können, dies diese brauchen, um gut in Sachsen-Anhalt leben zu können.
Unser Appell: Lass Sie uns gemeinsam dafür sorgen, das Projekt mit dem Jahresbeginn an den Start gehen zu lassen.
#moderndenken heißt auch #modernhandeln und dies jetzt.
Ausführungen zu TOP 28 der Landtagssitzung:
Die Debatte um den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel “Bildung in Sachsen-Anhalt: Queer und bunt! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt an unseren Schulen stärken.” sorgte vor allem im Hinblick auf die demokratischen Parteien des Landtages für Entsetzen. Wir verfolgten eine unangemessene, unsachliche Debatte. Der Verlauf dieser zeigte, dass die SPD scheinbar sehr dafür kämpfen musste, dass der Antrag auch durch die Koalitionspartner*innen in den zuständigen Ausschuss überwiesen wird. Besondere Irritationen riefen Aussagen wie die, des MdL Jörg Bernstein der FDP: “Überhöhung vermeintlicher Probleme” hervor und die dann öffentliche Gegenpositionierung zu “geschlechtliche Beliebigkeit”, der Ansprache von queeren Themen im Sexualkundeunterricht und der Information zu Pubertätsblockern auf der Webseite der Bundesregierung. Als Partei, die öffentlich ihren Support auf öffentlichen Veranstaltungen, wie CSD´s kund tut, sich als vielfältig sieht und dann so agiert stufen wir als gefährlich für eine vielfältige sachsen-anhaltinsche Gesellschaft ein. Zudem widerspricht dies auch den Beschlüssen der Bundesregierung, in der auch die FDP ein Teil ist.
Auch die CDU äußerte sich in Person von MdL Carsten Bochert schwierig zu queeren Themen. Die Aussage, dass die “Grünen mit Vorurteilen und einer Arroganz behaupten, was mit keinster Form zu belegen ist.”. Klar ist, dass es zu queerfeindlichen Situationen und strukturellen Diskriminierungen in Sachsen-Anhalts Schulen kommt. Aus unserer Arbeit als queerer Jugendverband, der an Schulen im Bereich der außerschulischen Jugendbildung agiert, können wir ganz klar sagen, dass es genau zu solchen Vorfällen kommt und das pädagogische Personal oft nicht sicher genug agieren kann, was auch zeigt, dass Schulen uns an Bord holen, wenn es schon zu entsprechenden Situationen gekommen ist. Auch Schüler*innen, die an einem Workshop vor 2 Jahren im damaligen Justiz- und
Gleichstellungsministerium teilnahmen, zeigten Handlungsnotwendigkeit auf. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass natürlich keine belegbaren Zahlen dazu gibt, was aber auch damit zusammenhängt, dass seitens des Landes dazu keinen Meldungen erfasst werden. Klar zeigt auch der Bedarf an Workshops für Schüler*innen und auch Fachpersonal, dass es genau zu solchen Vorfällen kommt und dass sich dort Änderungen erwünscht werden. An dieser Stelle wollen wir natürlich nicht verschweigen, dass es auch gute und richtige Schritte in einen vielfältigen Schulkontext gibt, die in den letzten Jahren auch durch Maßnahmen des Aktionsprogramms LSBTTI umgesetzt worden und auch zukünftig umgesetzt werden. Der Antrag der Grünen zeigt aber auch Bedarfslagen, die mit entsprechenden Maßnahmen bedient werden müssen. Die dargestellten Punkte decken Bedarfe, die da sind und sind somit auch zielführend und wichtig. Wir wünschen uns in dem Zusammenhang einen entsprechenden sachlichen Umgang, auch im Ausschuss. Wichtig sei hier auch der Hinweis: Ja es gibt auch noch weitere Problemlagen im Kontext Schule in unserem Bundesland. Eine Whataboutismstrategie ist aber keine geeignete sachliche Auseinandersetzung mit lebensweltbasierenden Missständen für junge queere Schüler*innen in Sachsen-Anhalt, sondern führt nur dazu, dass queere Schüler*innen, aber auch queere Lehrkräfte und Eltern noch mehr marginalisiert und als unwichtige Teile der Gesellschaft dargestellt werden. Für uns ist klar, dass es schwierig nachvollziehbar ist, wenn Menschen bisher keine offensichtlichen Berührungspunkte mit queeren Menschen und deren Themen hatten, aber seien sie sich im Klaren, dass es sie gibt, nach Studienlagen mindesten 1 von 10 Menschen, also auch in allen Klassen.
Unser Appell:
Nehmen Sie das Thema Queer im Kontext Schule ernst, behandeln Sie das Thema mit entsprechender Sensibilität und vor allem auf einer sachlichen Ebene.
Wir würden uns freuen, wenn Sie die aufgeführten Punkte in Ihre Arbeit als Parteien und Abgeordnete entsprechend mit aufnehmen.
Für Rückfragen oder Gespräche stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen